Werkzeug

  Werkzeuge für den Scriptor


ach diesen Worten aus einer Handschrift des 12. Jahrhunderts zu urteilen
hatte ein Schreiber zu meiner Zeit vier Dinge nötig :

- Gänsefeder zum Schreiben
- Rinderhorn für das Tintenhörnchen
- Schafsfell für das Pergament
- Dornen für die Tinte

Vergessen hat dieser Autor wohl die vielen kleinen Dinge, welche dem Scriptor die mühsame Arbeit erleichtern; das Diptychon zum Vorschreiben, Eberzähne zum Polieren von Metallgründen, Federmesser für Korrekturen und Herstellung des Schreibwerkzeugs und vieles andere mehr ...


Diese mit Wachs gefüllte Holztafel stellt sozusagen die mittelalterliche Form
Diptychon

des modernen Palm-Organizers dar. Zu meiner Zeit machte man sich auf
diesen Tafeln Notizen, entwarf Konzeptionen und setzte Schriftstücke auf.
Erst wenn die endgültige Fassung eines Textes feststand, wurde auf
Pergament geschrieben.

Die Wachstafeln wurden aus Holzbrettchen gefertigt, aus denen eine
Vertiefung ausgenommen wurde. Diese Vertiefung wurde mit einer Mischung
aus Bienenwachs, mit Leinöl oder Talg gehärtet und mit Ruß oder Grün
eingefärbt, eben gefüllt. In der nebenstehenden Abbildung seht ihr ein
solches, mit Ruß eingefärbtes Diptychon mitsamt dem dazugehörigen Griffel.

Der Griffel wurde aus Metall, Holz oder Bein gefertigt, an einem Ende mit einer
nadelfeinen Spitze zum Einritzen versehen, am anderen Ende spatelförmig
abgeflacht, um die beschriebene Wachsfläche wieder zu glätten.

Wachstafeln wurden in verschiedenen Ausführungen gefertigt.
Während die einseitíge ausführung oftmals mit einem Griff ähnlich dem
eines Spiegels versehen wurde. Zwei und mehr Täfelchen wurden mit der
Wachsseite nach innen mit Lederbändern zu einer Art Buch, einem "Codex"
zusammengebunden, wie auf den unten stehenden Bildern sehr gut zu sehen ist. Der Benediktinerabt Boudri verwendete im 12. Jahrhundert für seine Schriften einen Codex aus acht Täfelchen, dessen "Innenseiten" beidseitig mit Wachs gefüllt waren. Die Bezeichnung "Codex" stammt von dem lateinischen "caudex" für Holzblock, eine Bezeichnung, welche im
4. Jahrhundert auf das aus Pergamentlagen bestehende Buch mit Holzdeckel verwendet wurde.

ungefülltes Diptychon, gebunden
ungefülltes Diptychon, doppelseitig,
mit Lederbändern gebunden
Detailansicht mit Lederbindung
Detailansicht der Lederbindung, innen.






















Schreibfedern
Als zu Zeiten der Antike noch auf Papyrus geschrieben wurde, brauchte
man ein Schreibwerkzeug, welches der rauhen Oberfläche dieses Mediums
standhielt. Hierbei wurden Rohrfedern bevorzugt, deren äußerst
widerstandsfähige Spitze zwar von der Papyrusoberfläche nicht so schnell
abgerieben wurde, aber gleichzeitig auch das Malen feiner Konturen und
Details erschwerte.

Zu meiner Zeit benutzte der Scriptor bereits die Vogelfeder, da die
wesentlich feinere und glattere Oberfläche des Pergaments Schreibgeräte
mit feinerer Spitze ermöglichte. Führt man die spitz zugeschnittene Feder
leicht über das Pergament, entsteht ein feiner Strich. Verstärkt man den
Andruck beim Schreiben spreizt sich die Feder und der Strich wird breiter.

Als Schreibfeder verwendet der mittelalterliche Schreiber die ersten fünf
großen Flugfedern eines großen Vogels; bevorzugt werden hier
Gänsefedern. Wußtet ihr, daß Rechtshänder die Federn des linken Flügels,
Linkshänder jedoch die Federn des rechten Flügels bevorzugen ?
Dies liegt an dem Schwung, also der Krümmung dieser Federn.
Ebenfalls bevorzugt wurden verhornte, ausgefallene Federn. Konnte man
diese nicht bekommen, wurde die Kielspitze der herkömmlichen Feder
aufgeweicht und in heißem Sand gehärtet.


Zuschneiden einer Feder

Zunächste einmal muß die Feder entsprechend der Anwendung zugeschnitten werden. Unentbehrliches Werkzeug hierfür ist das sogenannte Federmesser. Diese scharfe Klinge ist in etwa mit einem Gerät vergleichbar, welches in eurer Zeit als "Cutter" bekannt ist. Als erstes entfernt man die Fahne der Feder, falls diese beim Schreiben stört. Zusätzlich kann man den Federkiel auf ca. 20cm stutzen. Anschließend wird die Kielspitze schräg abgeschnitten.
Federkiel

Der hierdurch entstandene Schlitz wird vorsichtig durch einen kurzen
Längsschnitt in der Mitte geteilt. Dieser Schnitt erfordert besonderes
Feingefühl damit die Feder nicht einreißt. Nun wird die Kielspitze auf die
gewünschte Breite und Neigungswinkel zugeschnitten. Diese beiden
Faktoren beeinflussen nachhaltig das Schreibverhalten der Feder.

Die Breite erhält man, indem man die Spitze beidseitig mit halbrunden
Schnitten nach vorne hin verjüngt. Der Neigungswinkel entsteht durch
Abschrägen der Federspitze in einem bestimmten Winkel. Hierbei ist
einiges experimentieren notwendig, bis der zur Haltung von Finger und
Hand passende Winkel erreicht wird und ein ermüdungsfreies,
unverkrampftes Schreiben ermöglicht.
Zum Abschluß sollte die Federspitze eine abgeflachte Kante wie die eines
Stemmeisens erhalten. Hierdurch kann die Tinte besser fließen; unentbehrlich für ein sauberes Schriftbild.

Nach einiger Zeit stumpft die Federspitze durch das Schreiben ab. Ist dies der Fall müssen die beiden letzten Arbeitsschritte wiederholt werden um die Präzision des Schreibgerätes zu erhalten.
Diese skalpellartige Klinge benötigt der Schreiber nicht nur, um seine Federkiele zu bearbeiten. Auch "verunglückte"
Schriften auf Pergament wurden damit entfernt, d.h. von der Schreibunterlage heruntergekratzt - eine Art mittelalterliches Radiergummi also ...
Auch in heutiger Zeit finden Federmesser noch ihre Verwendung, beispielsweise als Grafikerskalpell oder für Schnitte in Linoleum.

Eberzähne
Eberzähne wurden gerne zum Polieren von Metallgründen wie Blattgold
benutzt. Auch einige Erdfarben können mit Eber- und anderen Tierzähnen
auf Hochglanz gebracht werden. Natürlich ist bei der Verwendung darauf
zu achten, daß die Zähne eine glatte Oberfläche haben.

© by Mysterium Scribendi 09/2001

Schreibfedern