Material

  Utensilien und Rohstoffe
as wäre all die Kenntnis über die Schrift, wenn es keine Möglichkeit gäbe,

die Zeichen über Generationen für die Nachwelt zu erhalten ?

Zu eurer Zeit ist das Schreiben so einfach geworden; ihr habt Papier, so glatt und so weiß wie es zu meiner Zeit ein Wunder gewesen wäre.
Euer Scriptor nimmt sein Schreibgerät - "Kuli" wird es wohl genannt - und bringt die Zeichen schwungvoll und mit Leichtigkeit zu Papier;
ein Rätsel ist mir, woher die Tinte stammt, denn ich habe noch niemals einen eurer Schreiberlinge seinen "Kuli" in ein Tintenhörnchen tauchen sehen.

Auch eure Bücher sind so praktisch klein, die Schrift ist so deutlich;
"gedruckt" nennt man das wohl bei euch.

Zu meiner Zeit gehörte zu dem Verständnis des Schreibens nicht nur die Fähigkeit, die Buchstaben zu Pergament zu bringen, nein; auch das Geheimnis um die Herstellung von Tinten und Pergament mußte mühevoll erforscht und erlernt werden, war der Scriptor doch nicht nur ein einfacher Schreiber, sondern mitunter auch Illustrator herrlicher Schriften und Malereien.


Tinte
Es werden eine Reihe von Farben verwendet, die ihren Ursprung in organischen oder mineralischen Stoffen
und Metallen finden. So sind beispielsweise Mennige, Zinnober, Azurit und gelber Ocker mineralischen Ursprungs,
während Indigo, Saftgrün und Kohlenstoffschwarz aus pflanzlichen Bestandteilen gewonnen werden.

Das Kohlenstoffschwarz ist beispielsweise eine Tinte, die - wie der Name schon sagt - aus Holzkohle hergestellt wurde.
Vielfach findet auch die sogenannte "Eisen-Gallus-Tinte" als Schwarz Verwendung, eine Verbindung aus Eisensulfat und Galläpfeln, die man als 2-3cm große Kugeln im Herbst auf den Unterseiten von Eichenblättern findet.

Sehr beliebt war auch Dornentinte, deren Herstellung in vielen noch erhaltenen Musterbüchern ausführlich überliefert ist.
Jeder Schreiber weiß : Eisen-Gallus-Tinten sind sehr haltbar, sehen auf dem Pergament aus wie Lack, haben aber die unangenehme Eigenschaft, das Pergament anzugreifen. Die Dornentinten dagegen sind viel sanfter zu ihrem kostbaren Beschreibstoff, verbleichen aber bei Licht.
So steht der Schreiber in meinem Jahrhundert vor der Wahl der Entscheidung, welche Tinte für seinen Zweck besser geeignet sei ...

Die Palette der Brauntöne bei den für Illustrationen verwendeten Tinten wird vielfach durch Erden und Kreiden erreicht, die in einem Mörser zerstoßen und schließlich verflüssigt werden. "Terra Rubea" - rote Erde - wird in vielen Traktaten genannt und oft als Grundierung beim Vergolden angewandt. Wurde gelber Ock
Pergament
er gebrannt, erhielt man eine große Palette unterschiedlicher Tönungen von Gelb bis Dunkelbraun.

Ich habe für euch hier an anderer Stelle einige Rezepturen für Tinten aus meiner Zeit zusammengestellt.






















Was wären Farben und Zeichnungen ohne das Mittel, auf dem sie
festgehalten werden können ?
Dieses hervorragende weiße reine Papier, das eure Bücher besitzen,
ist mir bisher unbekannt. Wir benutzen ausschließlich Pergament,
dessen Herstellung sehr viele Wege durchschreiten muß, damit es
für ein Buch verwendet werden kann.

So kommen aus den Gerbereien Häute von Rindern und Schweinen,
Schafen und Ziegen. Diese werden von Pergamentherstellern mit
Hilfe einer sichelförmigen Klinge abgeschabt, bis sie eine glatte
beschreibbare Oberfläche aufweisen.
Dann werden die Häute zusammengefaltet. So ergibt eine Haut
8-16 Seiten, je nach Größe und Verwendungszweck. Diese werden
bis auf eine Seite aufgeschnitten, so daß schon ohne Bindung die
Vorform eines kleinen Heftes entsteht.

Buchbindung

Mehrere solcher Hefte zusammengebunden ergeben schließlich das fertige Buch.
Das obenstehende Bildnis wird euch durch anklicken mittels dieses kleinen Zeigegerätes namens "Maus" weitere Einzelheiten der Buchbinderei enthüllen, welche mit Hilfe des seelenfangenden Schnellschreibers auf dieses leuchtende Pergament gebannt wurden.

Es gibt Pergamente unterschiedlicher Qualitäten. Sehr hochwertige Pergamente für die Klöster Kamp und Werden stammen aus Wesel. Die Pergamentstraße in Wesel am Niederrhein erinnert noch heute daran. Erreichen diese Pergamente die Scriptorien werden sie jedoch nicht sofort beschrieben.

Die Schreiber und Illustratoren machen auf einer Wachstafel einen Entwurf, Nach diesem Entwurf werden Hilfslinien auf dem Pergament vorgezeichnet. Jeder Buchstabe und jedes Bild erhält so vor dem Schreiben bereits seinen geplanten Platz.
Erst dann beginnen Schreiber und Illustratoren mit ihrer Arbeit.

Eine kleine Auswahl unterschiedlicher Pergamentsorten findet ihr zusammen mit einer Verwendungsbeschreibung auf den nachfolgenden Bildern.

Kalbspergament natur
Kalbspergament, natur, sehr feine Struktur, wird zum Schreiben verwendet.
Kalbspergament gebleicht
Kalbspergament, gebleicht, sehr feine, dünne Struktur, für Schrift und Illustration.









Ziegenpergament gebleicht
Ziegenpergament, gebleicht, feine Struktur, vorzugsweise für Deckblätter und Buchbinderei verwendet.
Ziegenpergament natur
Ziegenpergament, natur, narbige Struktur, wird gerne für Buchdeckel verwendet.
© by Mysterium Scribendi 09/2001